Unterscheide bei Pferderassen – Fressverhalten

 

Vergleicht man Kiefer und Zähne eines etwa einen Meter großen und 200 kg schweren Shetlandponys mit einem anderthalb mal so gro0ßen Vollblutaraber, der 420 kg wiegt, wird die Bedeutung anatomischer Faktoren klar: Das Pony hat einen ungefähr gleich großen Kopf wie der Vollblutaraber. Schwerere Ganaschen mit kräftigeren Kiefern und ebensolchen Zähnen versetzen es in die Lage, selbst härtestes, stengeliges Futter zu kauen.

Durch Anpassung an karge Kaltklimazonen ist es in der Lage, auch stengeliges Gerüstsubstanzen im Blinddarm weitgehend verwertbar aufzhuschliesen. Schließlich frisst es auch geschmacklich minderwertige Binsen und verholztes Altgras. Sein Fresstrieb ist auf lange Futteraufnahmezeiten eingestellt und sein Sättigungsgefühl, das an sich dem Weiterfressen _Einhalt gebieten sollte, wird auf kultivierten Weiden zunächst völlig überdeckt. Erst wenn zusätzlich zum Sättigungsgefühl eine bestimmte Zeit abgelaufen ist, legt es Fresspausen ein.

 

Diese innere Zeituhr mit Grenzwert ist programmiert auf die Nahrungsbasis seiner ursprünglichen Heimat mit extensiv genutzten Flächen und karger Nahrung. Die Ursprungsverhältnisse erforderten hum Überleben seit Jahrhunderten einen genetisch fixierten ausgeprägten Fresstrieb. Gleiches gilt mit graduellen Unterschieden für alle Robustrassen.

 

 

Gefräßigkeit bei Pferden – Das „Hungerhormon“ Leptin

 

Wissenschaftlich noch nicht abschließend geklärt ist, die diese >>Gefräßigkeit<< exakt gesteuert wird und in welchem Umfang Gene bei Nordpferden im Vergleich zu Südpferden verändert sind. Das entscheidende Gen produziert das Hormon Leptin.

Je nach Leptin-Konzentration im Blut werden Stoffwechsel- und Verdauungsphysiologie beeinflusst.

Bezogen auf den Fresstreib konnte vom Verfasser in diesem Zusammenhang beobachtet werden, dass sich bei Fjordpferden die Fressstimmung weit ausgeprägter übertraägt als bei Vollblutarabern. Es zeigte sich wiederholt, dass ein Fjordpferd, das sattgefressen war und von selbst zu fressen aufhörte – bei Vorhandensein weiteren einwandfreien, schmackhaften Raufutters (Schnittgras und Heu) – zügig zum Weiterfressen veranlasst wurde – wenn ein hungriges, sofort eifrig fressendes Herdenmitglied hinzukam. Bei gleichen Experimenten mit Vollblut Arabern war die Übertragung der Fressstimmung nur ansatzweise vorhanden, aber mengenmäßig um ein Vielfaches geringer.

 

Ähnliche Unterschiede konnten bei Gruppenhaltung im Hinblick auf Futterneidattacken beobachtet werden. Bei knapper, stark reglementierter Futterzuteilung waren Nordpferde durchweg futterneidischer.

 

Konsequenzen für die Fütterpraxis bei Nordpferden

 

Konsequenz für die Praxis ist, dass für Nordpferde eine stärkere individuelle Reglementierung der Futterzuteilung erforderlich ist, um starker Verfettung vorzubeugen. Gleichzeitig müssen durchüberlegte Fütterungstechnik und geeignete Haltungseinrichtungen (siehe Foto auf S. 238) Futterneidattacken weitgehend eingedämmt werden, damit jedes Pferd ohne Hast seine Ration fressen, kauen und einspeicheln kann.

 

 

 

 

Quelle & Zitat: Ingolf Bender; „Pferdehaltung und Fütterung – Das Standard Werk“, S. 245 – 246, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart, 2015, ISBN 978-3-440-14988-1